Villa Heike
Cai Dongdong
Cai Dongdong: Obstacles
Eröffnung: Donnerstag, 2. März, 2023, ab 17 Uhr | Ansprache 18 Uhr (der Künstler wird anwesend sein)
Öffnungszeiten: Mi-Sa 14-18 Uhr (und nach Vereinbarung)
Gespräch mit dem Künstler: Samstag, 11. März, 17 Uhr
Führung durch die Ausstellung: Samstag, 18. März, 17 Uhr
Finissage: Sonntag, 2. April, ab 16 Uhr
Ausstellungstext:
Ein Pfeil durchbohrt eine Fotografie, auf der eine Schießscheibe abgebildet ist - aber er trifft nicht die Scheibe, sondern steckt im Bildraum zwischen den Köpfen zweier ebenfalls abgebildeter Männer. Betrachtet man die Werke von Cai Dongdong, dann könnte man ob ihrer schlichten Konstruktion oft denken, schnell mit der Interpretation fertig zu sein. Doch dann stellen sich Zweifel ein und es entfaltet sich eine Komplexität die bereits angenommene Gewissheiten in Frage stellt.
Der 1978 geborene chinesische Künstler erlernte das fotografische Handwerk in der Chinesischen Volksbefreiungsarmee. Dort wurde er als Verwaltungssoldat mit den Aufgaben eines Portraitfotografen betraut. Aus diesem, für einen Künstler eher ungewöhnlichen Werdegang, erklären sich viele seiner späteren, künstlerischen Themen, bei denen von ihm konstruierte Analogien zwischen dem Akt des Fotografierens und der Ausübung von Gewalt und Macht immer wieder eine Rolle spielen. Aber auch die für ihn zentrale Frage nach der Realität in Bildern mag in seinen Erfahrungen aus dieser Zeit mit Propagandabildern begründet liegen. Schließlich scheint sein Arbeiten mit einem Archiv fotografischer Bilder ebenso aus seinem vorigen Aufgabenbereich als Militärfotograf zu erwachsen. Cai Dongdong besitzt mittlerweile ein eigenes Fotoarchiv von mehreren hunderttausend Abzügen und Negativen, obsessiv gesammelt, meist Amateuraufnahmen aus allen Teilen Chinas.
Etwa um das Jahr 2014 beginnt Cai Dongdong Bilder aus dem Fotoarchiv aber auch selbst aufgenommene Fotos als Material zu begreifen und skulptural zu verwenden, indem er sie abschleift, knickt, in sie hineinschneidet und dann zunehmend auch mit Gegenständen wie zum Beispiel Fotoobjektiven oder auch mal einem Pfeil kombiniert. In einigen dieser Konstruktionen ist es der vordergründige, fast naiv anmutende Humor, der den Einstieg in die Betrachtung ebnet. Oft aber brauchen wir etwas mehr Informationen zum kulturellen Hintergrund oder der Herkunft der Bilder, um die Werke einordnen zu können. „A Game of Photos“ nennt er eine Publikation aus dem Jahr 2021, in der seine Werke dieser Periode versammelt sind. Cai Dongdong betont mit diesem Titel den spielerischen Aspekt seiner Arbeit - er betreibt ein vordergründig leichtes Spiel, jedoch mit versteckten Hinweisen und ernstem Hintergrund.
Die Frage, ob die Arbeit eine Anspielung auf die aktuelle gesellschaftliche Situation sei, beantwortet er in einem Interview positiv. Das Wort „kritisch“ jedoch kommt in keinem Text, der über ihn zu finden ist, vor. Er verwendet wiederholt Spiegel in seiner Arbeit, obwohl er sie laut eigener Aussage nicht mag. Im Kontext einer immer noch körperfeindlichen Bildkultur seines Landes verwendet er vorwiegend weibliche Aktaufnahmen als Provokation, dreht aber dann das Blickregime um, macht das Anschauen selbst zum Thema, indem er beispielsweise den Kopf des Modells durch eine Fotolinse oder Spiegel ersetzt wodurch der/die Betrachtende wiederum beobachtet bzw. gespiegelt wird.
Vielleicht ist es ja das Händische, Analoge, in seiner Arbeit, wenn Cai Dongdong das Fotopapier bei der Entwicklung oder beim Schneiden mit dem Skalpell in das Bild hinein berührt, welches für die emotionale Vertrautheit beim Betrachten der Werke trotz ihrer kulturellen Ferne ursächlich ist. Die abgebildeten Menschen mögen fremd erscheinen, denn es sind chinesische Staatsbürger, meist aus der vergangenen Zeit der Kulturrevolution, über die man selbst damals bei uns wenig Informationen hatte. Doch gerade weil die Arbeiten nicht ganz so perfekt und glatt sind, Spuren aufweisen, stellen sie eine Art Nähe her, die sich auch auf die Protagonisten in den Bildern überträgt. Es ist also nicht die bildliche Eindrücklichkeit eines versierten Fotografen, die uns Anteil nehmen lässt, sondern die im künstlerischen Prozess angelegte Handwerklichkeit, die uns letztlich berührt.
Die Ausstellung in der Villa Heike wird von Yasmine Benhadj-Djilali und Michael Schäfer kuratiert und findet im Rahmen des European Month of Photography in Berlin statt. Wir danken der Sammlung Wemhöner und der Sammlung Yu Zhang für jeweils eine Leihgabe.
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